Antoni Benaiges (Enric Auquer) muss gleich nach seiner Ankunft erst mal persönlich die alte Dorfschule putzen, bevor er mit dem Unterricht anfängt. Von den Unruhen überall in Spanien ist auf den ersten Blick wenig zu spüren. Aber Antoni ist in den Augen der Dorfbevölkerung verdächtig: Erstens ist er Atheist und außerdem ein Linker, womöglich sogar ein Kommunist. Dafür verantwortlich sind neben seinem Auftreten auch seine modernen Erziehungsmethoden. Doch weil die Kinder dank Antonis Unterricht regelrecht aufblühen, verschwindet zumindest bei einigen Eltern die anfängliche Skepis, zumal sich aus dem zusammengewürfelten Haufen von Jungen und Mädchen, die hier gemeinsam im einzigen Klassenraum sitzen, bald eine Gemeinschaft formt. Antonis Unterrichtsstil unterscheidet sich extrem von dem des Pastors, der (vergeblich) versucht hat, sich in seiner Tätigkeit als Lehrer mit autokratischem Verhalten, eiserner Disziplin und ständiger Bedrohung durch drakonische Strafen Respekt zu verschaffen. Antoni dagegen macht den Kindern Mut, er fördert ihr Selbstbewusstsein und gibt ihnen die Gelegenheit, spielerisch die Welt des Wissens zu entdecken. Dafür hat er unter anderem eine kleine Druckerpresse mitgebracht, mit deren Hilfe die Kinder ihre eigene kleine Zeitung gestalten und veröffentlichen. Zum endgültigen Höhepunkt des Schuljahrs soll der geplante Ausflug zum Meer werden, das die Kinder noch nie gesehen haben. Doch bevor es soweit ist, kommt der Bürgerkrieg ins Dorf.
Im Jahr 2010 will Ariadna (Laia Costa) den Wunsch ihres schwerkranken Großvaters erfüllen und für ihn herausfinden, was mit seinem Vater geschehen ist, der 1936 verschwand. Die Zeit ist knapp, denn dem Großvater geht es immer schlechter. Bei ihren Recherchen stößt sie auf Antonis Geschichte, die sie in Gesprächen mit seinen überlebenden ehemaligen Schülerinnen und Schülern nach und nach rekonstruiert.
Dieser Film ist ein Phänomen: eine fröhliche und gleichzeitig eine zu Herzen gehend traurige Geschichte, die mit Liebe und Zärtlichkeit in unvergesslichen Bildern erzählt wird. Beginnend mit archäologischen Ausgrabungen, bei denen ein Massengrab geöffnet und untersucht wird, entwickelt sich in der Rahmenhandlung mit Ariadna ein zu Teilen sogar dokumentarischer Rückblick auf die tragische Geschichte des spanischen Bürgerkriegs. Ganz Spanien ist bis heute von Massengräbern aus der Zeit des Bürgerkriegs übersät, ist zu erfahren, und sie sind längst nicht alle freigelegt. Und dieser Film ist auf seine liebenswerte Art zwar unauffälig, aber radikal politisch mit eindeutigen Sympathien auf Seiten der Unterlegenen im Kampf zwischen den spanischen Faschisten und den gewählten Sozialisten der damaligen spanischen Regierung. So erzählt die Geschichte nicht nur von einem Lehrer und den Kindern, die mit ihm für eine kurze, glückliche Zeit gemeinsam die Hoffnung auf eine bessere Welt erleben, sondern er erzählt auch von einem Land, in dem sich zwei verfeindete Lager gegenüberstehen, die sich immer stärker radikalisieren. Die Aktualität, die dahintersteckt, ist ebenso eindeutig wie erschütternd.
Spanien 2023; Regie: Patricia Font; Drehbuch: Albert Val; Darsteller: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa; Kamera: David Valldepérez; Länge: 105 Minuten; FSK: 12